Vortrag von Dr. Johanna Possinger
Dr. Johanna Possinger. Foto: Bernd Lammel
„Eltern sind am Limit und leiden unter chronischen Zeitmangel.“ So die ernüchternde Diagnose von Dr. Johanna Possinger vom Deutschen Jugendinstitut in München. Und das werde noch verstärkt durch Aussagen wie: „Ist doch alles nur eine Frage des Organisationstalents.“ Nein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei für die meisten Familien nicht gelöst, das gelte ganz besonders für Familien mit behinderten Kindern. Dr. Possinger fährt fort: Auch heute leisteten die Mütter den Löwenanteil der Familienarbeit, und die Gesellschaft verlasse sich auf diese „stille Fürsorgearbeit“.
Wie begegnen die Familien diesem täglichen Druck? Die Referentin präsentierte gleich mehrere Strategien, die einem jedoch Angst machen können:
- Die Familien kehren zurück zur traditionellen Arbeitsteilung: Der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau gar nicht oder Teilzeit.
- Die Paare verzichten auf weitere Kinder.
- Die Familie wird effizient wie ein Betrieb durchgeplant. Es gibt sogenannte Qualitätszeiten für die Zuwendung zum Nachwuchs, „aber Kinder lassen sich nicht in ein Zeitfenster pressen“.
- Die Eltern verzichten auf Zeiten für die eigene Partnerschaft.
- Sie verzichten auf eigene Erholungsphasen und schlafen weniger.
Am Ende steht dann die völlige Erschöpfung. Johanna Possinger fordert daher, die Ressourcen der Eltern zu stärken. Ihr geht es um einen Dreiklang aus Geld, Zeit und Infrastruktur:
Geld:
Fürsorge in der Familie müsse staatlich gefördert werden und dürfe nicht an die Ehe geknüpft sein. Familienausgaben müssten steuerlich besser absetzbar sein und Pflegezeiten abgesichert werden.
Zeit:
Die zwei „Väter-Monate“ in der Elternzeit müssten ausgebaut werden. Eine familienbewusste Personalpolitik in den Unternehmen sei notwendig (nicht nur Lippenbekenntnisse), ebenso ein Rückkehrrecht in eine Vollzeitbeschäftigung nach einer Teilzeitphase und mehr „Vollzeit light“, das heißt eine 30- bis 35-Stunden-Woche. Mit „Vollzeit light“, so Possinger, könnten Männer eher angesprochen werden als mit dem Begriff „Teilzeit“.
Infrastruktur:
Hier mahnt die Referentin einen Ausbau des gesamten Hilfesystems an: flächendeckende, ganztägige Betreuungsangebote, zentrale Anlaufstellen für Familien und eine Stärkung von Netzwerken.
Mehr über Dr. Johanna Possinger erfahren Sie unter:
http://www.dji.de/cgi-bin/Mitarbeiter/homepage/mitarbeiterseite.php?mitarbeiter=1904
Und hier (pdf - 672.7 KB) können Sie ihre Kongress-Präsentation anschauen.
Bericht: Peer Brocke, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesvereinigung Lebenshilfe
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