Vortrag von Prof. apl. Dr. Miriam Gebhardt
Prof. apl. Dr. Miriam Gebhardt. Foto: Bernd Lammel
Einen spannenden Blick in die Geschichte der Erziehung gewährte den Kongressteilnehmern Prof. apl. Dr. Miriam Gebhardt. Die Münchner Historikerin und Journalistin hatte für ihre Doktorarbeit über Anzeigen Elterntagebücher gesammelt und ausgewertet. Darüber hinaus hat sie einen gründlichen Blick in die Erziehungsratgeber unterschiedlicher Jahrzehnte geworfen.
Immer umtrieb die Eltern die Frage, ob sie ihr Kind richtig behandeln und erziehen. Der Wandel des Zeitgeistes und der Gesellschaft spiegelte sich auch in der Art und Weise der Kindererziehung. Bis in die sechziger Jahre etwa warnte man Väter und Mütter eindringlich vor zu viel Verständnis und Zärtlichkeit gegenüber ihrem Nachwuchs, damit aus ihm keine kleinen Tyrannen würden.
Deutsche Eltern im 20. Jahrhundert waren hin- und hergerissen zwischen Norm und Liebe, zwischen Strenge und Verständnis. Von allen Seiten stürmten Ratschläge und Warnungen auf sie ein, man solle sich nur ja nicht von den Bedürfnissen des Kindes gängeln lassen. Es galt, ein wildes Wesen zu zähmen. Wissenschaftler, Ärzte und Hebammen waren sich einig – gefordert wurde eiserne Konsequenz beim Einhalten der Schlaf- und Essrhythmen, wenig Körperkontakt und kein Mitleid. Nur so würde der Nachwuchs für die Härten des Lebens gerüstet.
Mit zahlreichen Zitaten aus privaten Elterntagebüchern schilderte Miriam Gebhardt eindrucksvoll, wie sehr sich Eltern an teilweise grausame Vorgaben und Ratschläge gehalten haben. So mussten Säuglinge beispielsweise vom ersten Tag ihres Lebens an die Nacht ohne Nahrung durchstehen. Die Kinder bis zur Erschöpfung schreien zu lassen, galt mehrere Jahrzehnte als Abhärtungstraining. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Pädagogen und anderen Experten das Kind als „kleinen Tyrannen" definiert, den es zu kontrollieren galt.
Erst in den 70er-Jahren ändert sich diese Sichtweise und emotionale und kognitive Aspekte in der Kindererziehung treten in den Vordergrund. Eltern notieren nun, wie sie das Kinderbett ins Elternschlafzimmer stellen, schreiben über das erste Lächeln oder wie ihr Kind auf andere Menschen reagiert.
Interessant war auch der Ausblick ins 21. Jahrhundert. Eine Flut von Erziehungsratgeber, Fernsehsendungen wie "Die Super Nanny" und Forderungen von Politiker und Pädagogen nach einem Elternführerschein, zeigen wie sehr das Thema Erziehung in der öffentlichen Diskussion steht.
Mehr über Prof. apl. Dr. Miriam Gebhardt erfahren Sie unter:
www.miriamgebhardt.de
Bericht: Kerstin Heidecke, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesvereinigung Lebenshilfe
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