Vielfalt live. Foto: Hans D. Beyer
Was brauchen Familien? Und wer ist überhaupt eine Familie? Nur Mutter-Vater-Kind? Die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, das lesbische Paar mit Nachwuchs? Die neue Frau und die Kids aus erster Ehe des neu verheirateten Mannes? Längst sind wir in einer bunten und vielfältigen Gesellschaft angekommen, binationale Paare, Menschen mit Migrationshintergrund, Familien mit einem Angehörigen mit Handicap. Sie alle wollen in der Gesellschaft willkommen sein und die Unterstützung bekommen, die sie benötigen.
Eine lebhafte Talkrunde schilderte genau das zum Auftakt des Familienkongresses. Und eines wurde schnell klar: Viele Bedürfnisse sind ähnlich. Und manches zu erfüllen, wäre nicht mal kompliziert. Weniger Bürokratie und etwas mehr Bewegung im Bewusstsein ihrer Umgebung – das sind die Themen, die die Eltern am meisten umtreiben.
„Wir wollen am Leben teilhaben und nicht als etwas Besonderes wahrgenommen werden“, sagt Silke Neujahr. Sie ist Rollstuhlfahrerin und alleinerziehend. Was sie sich wünscht, ist, dass es einfacher wird, Elternassistenz zu bekommen. Silke Neujahr ist berufstätig und braucht ab und zu jemanden, der mit anpackt. „Aber die Hürden beim Stellen der Anträge sind enorm.“ Und unnötig, findet sie. „Barrierefreiheit soll nicht nur äußerlich sein, sondern auch für das Denken gelten“.
Um offenes und tolerantes Denken geht es auch Sabrina Hagedorn und ihrem Lebensgefährten Nader Bardi. Ihre Tochter Yasmine ist erst wenige Monate alt. Aber sie hat etwas geschafft, was den Erwachsenen nicht gelingen wollte. Sie hat eine muslimische und eine evangelische Familie vereint. „Da gab es vorher viel Gegenwind; zwei unterschiedliche Kulturen… Familien, die sehr traditionell sind – erst durch die Geburt unserer Tochter wurde unsere Beziehung akzeptiert.“ Aber die jungen Eltern umtreiben auch ganz praktische Fragen. „Wir merken jetzt, wie schwierig es ist einen Kita-Platz zu ergattern. Denn ich würde gern nächstes Jahr wieder arbeiten“, sagt Sabrina Hagedorn.
Um mehr Akzeptanz für alle Familienmodelle geht es Kirsten Ulrich. Sie lebt mit ihrer Partnerin Anneke Ulrich und zwei Kindern zusammen. Der leibliche Vater, Peter Wagenknecht, ist aktiver Part in der Familie und teilt Pflichten – und Freuden – mit den Frauen. Er erinnert daran, dass in Kinderbüchern Familie oft noch in der klassischen Variante beschrieben wird. „Andere Modelle kommen zwar mal vor, werden dann aber abgestuft“, findet er.
Familie Repnak hat insgesamt fünf Kinder, darunter Jonathan, der mit Down-Syndrom geboren wurde. Er greift auf der Bühne unerschrocken das Mikro und berichtet aufgeregt von seiner Reise zum Kongress. Bei den Repnaks läuft das Meiste rund. Die Familienmitglieder stützen sich, jeder verzichtet mal auf etwas, aber das, was wirklich nervt, beschreibt die Mutter so: „Nicht Jonathans Behinderung, aber das Behindertwerden – das kostet Zeit und Kraft.“
Bericht: Kerstin Heidecke, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesvereinigung Lebenshilfe
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