"Die Träger brauchen unbedingt den Input der Familien!"

Helga Kell war eine der ersten, die sich zum Kongress angemeldet haben. Foto: privat

Helga Kell ist Referentin der Geschäftsführung der Lebenshilfe im Kreis Pinneberg und dort auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Sie und Geschäftsführer Michael Behrens waren unter den ersten, die sich zum Kongress angemeldet haben. Wir haben sie gefragt, warum.


Liebe Frau Kell, auf dem Kongress werden Sie auf ‚Leute wie Sie’ treffen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Behinderten- oder Familienhilfe – besonders aber auf die Mütter und Väter selbst. Was reizt Sie daran?
Die Anbieter von Hilfen sind zu oft zu weit entfernt von den Familien. Bei den Eltern gibt es eine Tendenz, sich selbst politisch nicht mehr zu äußern und die Weiterentwicklung der Leistungen den Profis zu überlassen; die Träger wiederum schmoren im eigenen Saft und wissen manchmal gar nicht mehr um die konkreten Bedürfnisse in den Familien. Auf dem Kongress werden wir uns treffen, und das ist gut – denn für eine wirksame Arbeit brauchen wir unbedingt den Input der Familien!
Mich persönlich reizt aber auch die Auswahl der Referenten – spätestens bei Rogge und Beck-Gernsheim habe ich richtig aufgemerkt…
Die beiden sind ja auch sehr bekannt…
Ja, aber nicht nur deswegen. Ich kenne die Thesen und Vorträge der beiden aus Zusammenhängen, die gar nichts mit meiner Arbeit bei der Lebenshilfe oder überhaupt für Menschen mit Behinderung zu tun haben. Und hier auf dem Kongress werde ich sie nun wieder hören. Das gefällt mir, denn es zeigt, dass da etwas zusammenkommen soll: Der Kongress kommt mir auf weite Strecken ‚ganz normal’ vor, obwohl oder gerade weil Sie so viele Familien mit behinderten Kindern erwarten. Von dieser Normalität oder Allgemeinheit können wir viel lernen.

Glauben Sie, dass das auch umgekehrt funktioniert, kann auch die Allgemeinheit von ‚uns’, von der Behindertenhilfe und von Familien mit behinderten Angehörigen lernen?
Unbedingt! Wir haben praktische Alltags-Erfahrung zu bieten, aber wir haben auch gute Konzepte, die die Gesellschaft insgesamt vorantreiben. Das war schon bei der Integration so: Die ganze Debatte und die ganzen Bemühungen um die stärkere Einbindung von Migranten haben enorm vom Begriff der Integration profitiert. Er ist Allgemeingut geworden und hilft auch anderen Bevölkerungsgruppen, nicht nur Menschen mit Behinderung. Etwas Ähnliches erleben wir jetzt mit dem Begriff ‚Inklusion’ – er bedeutet eben, dass alle ihren gleichberechtigten Platz haben sollen.
Es ist ein tolles Konzept, nur müssen wir uns klar sein, dass vollendete Inklusion, zum Beispiel in der Schule, ein ‚Jahrhundertwerk’ ist. Wir müssen alle Schritte dahin sorgsam machen und manchmal geduldig sein, damit nicht nachher die Kinder die Zeche für schlechte Umsetzung zahlen müssen. Hier in Schleswig-Holstein ist meist der politische Wille zur Inklusion da, nur das Land und die Kommunen sind hoch verschuldet, und so müssen wir aufpassen, dass Inklusion nicht als Sparmodell verstanden wird. Gute Inklusion erfordert mehr Räume, mehr Personal, mehr Fachlichkeit – und dazu braucht man Mittel, die erst einmal aufgebracht und auch erstritten werden müssen…

Plädieren Sie also dafür, einen Gang zurückzuschalten bei der Inklusion?
Aber nein, ich plädiere nur für Sorgfalt dabei! Wir müssen sogar, im Gegenteil, unsere Anstrengungen noch verstärken und immer wieder neue Inklusionsprojekte anzetteln. Meine Lebenshilfe ist Mitglied der Kreisarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände – und die lädt demnächst zu einer ersten großen Veranstaltung im Kreis Pinneberg ein, um Inklusion in der Region voranzubringen. Wir haben Kooperationsvereinbarungen mit Sportvereinen und der VHS und bemühen uns sogar, gemeinsam mit der Stadt Elmshorn die erste inklusive Krippengruppe einzurichten, für die ganz Kleinen – ein Test, auf den ich sehr gespannt bin.
Auf dem Kongress wird es sicher noch mehr Anregungen geben: Dort kann ich die Ideen der Familien aufnehmen, und das einmal nicht in trockenen Arbeitsgruppen, sondern fast in Urlaubsatmosphäre – davon verspreche ich mir sehr viel!

Liebe Frau Kell, vielen Dank für das Gespräch!


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